Sonntag, 13. März 2011

Eine Schale Reis, Tag 4 und 5

Rückblick

Ich war von gestern auf heute auf dem Ehemaligentreffen meines diakonischen Jahres (FSJ) und wenn ich daran zurückdenke, kommen mir zuerst nicht etwa folgende Worte in den Sinn:

- Freunde wiedergesehen
- Gospelchor
- Spaß
- Freude

sondern:

- Donauwelle
- Torten
- Apfelkuchen
- Hähnchenschenkel
- Kräuterbaguette
- Gemüse
- Kartoffeln
- Chips
- Salzstangen
- Croissants
- Brötchen
- Kakao
- Brot
- Rühreier

Ich denke sofort an all die Leckereien, die es abends am Buffet, die ganze Nacht auf den Tischen und morgens beim Brunchen gab.
Und ich habe nichts davon gegessen.

Es war... doof.
Aber nicht so schlimm wie befürchtet.

Ich hatte keinen Hunger, den ganzen Tag nicht.
Ich bin um 7 Uhr losgefahren und hab um 9 Uhr in der Bahn ein bisschen Reis gegessen- Mann, wie der schon riecht, da wird mir ganz anders.

Ich habe keine Lust mehr auf Reis und würde am Liebsten komplett aufs Essen verzichten, aber Essen muss sein, sonst ist der Sinn der Aktion verfehlt und ich merke für mich- und das hätte ich noch vor 4 Tagen niemals gedacht- 100 Gramm sind zu viel.

Ich habe noch so viel übrig bekomm es einfach nicht runter.

Mir ist aufgefallen, dass ich eigentlich ohnehin kein Reisesser bin und ich befürchte, das wird sich in Zukunft auch nicht ändern.
Ab Mittwoch werde ich freiwillig und ohne die leiseste Entzugserscheinung Reis fasten. Vielleicht.

Und mir ist aufgefallen, wie extrem und auch wie unbewusst mein Fokus auf Nahrung geht:

Am späten Abend wurden die Hähnchenschenkel noch mal hingestellt und jedes Mal, wenn wir an diesem Tisch vorbeigingen, hatte ich das Gefühl, das Fleisch würde mir direkt unter die Nase gehalten und nur so in meine Atemwege dampfen.
Meine Freunde haben den Duft nicht einmal wahrgenommen.
Ist das nicht verrückt?

Beim Frühstück: Überall Krümel.
Wie viele Menschen könnte man wohl nur mit den Krümeln satt bekommen, die wir jeden Morgen wegwerfen?

Die Jugendherberge hatte kleine Waffelbecher ausgelegt, in die man sich Marmelade füllen konnte, für den Weg vom Buffet zum Tisch. Einige Teilnehmer haben die Waffel aber nicht gegessen, sondern weggeworfen- und die Marmelade eingefüllt mit dem Wissen, dass sie diese Waffel nicht essen werden.

... Was für eine Überflussgesellschaft!

Ich habe mich dabei erwischt, wie ich jeden zur Rede stellen wollte, wenn er seine Butterpackung (ich hasse diese abgepackten Teile seit eh und je!) nicht leergemacht hat oder Reste wegwerfen wollte.
Wenn die Leute, ohne das Fleisch vom Hähnchen vernünftig abzufummeln, die Keule in die Mülltonne wandern lassen und sich eine Neue holen: Wir haben's ja.

Ich weiß: ich habe es oft nicht anders gemacht.
Und ich rege mich jedes Mal auf, wenn ich in der Mensa meine Portion nicht schaffe (die sind aber auch so groß) und die Reste wegwerfen muss.
Ich rege mich auf, wenn mir Brot verschimmelt- "das passiert".
Das darf nicht passieren!

Man muss bei so einer Aktion auch mit den Reaktionen der Mitmenschen leben.
Neben der "Anerkennung", die einem entgegengebracht wird, bietet so eine "Reis- Woche" auch eine herrliche Basis für Spott. ("Kennst du die Band SunREIS Avenue?" und Helge Schneider singt: "Es gibt Reis, Baby")

Meine Freunde hatten die herrlichsten Leckereien (die in meiner Phantasie sicher unverhältnismäßig köstlich auf mich wirkten) auf den Tellern und wurden nicht müde, über den Geschmack zu reden.

Ich habs mit einem Lächeln (,ein paar Sprüchen) und einem Löffel kalten und absolut unattraktivem Reis ertragen.

Zum Glück hatte ich keinen großen Hunger und musste nur gegen das Appetitgefühl kämpfen und das fiel mir leichter als gedacht. Ich hatte echt Bammel vor den Mahlzeiten, aber ich hatte ja neben dem Reis noch meine Multivitamintablette und Früchtetee.

Noch während des Essens brachen mehrere Teilnehmer in Richtung McDonalds auf, um noch ein paar Burger zu essen.
Das Essen- habe ich mir sagen lassen- war wirklich gut und diese Leute haben nichts besseres zu tun, als sich gleich noch ein/zwei Cheeseburger reinzustopfen.
Und in der Herberge werden Lebensmittel weggeworfen.

Meine Gedanken werden dominiert vom Essen.

Allerdings weiß ich immer noch nicht, was ich essen soll, wenn ich wieder darf.
Ich hab so viele Pläne und Appetit auf alles.
Wahrscheinlich werd ich aber gar keinen Hunger haben.
Ich habe heute ein Fair- Trade- Überraschungsei (mit Fair Trade- Schokolade UND Spielzeug) bekommen und schon an der Schokolade gerochen, das wird das Erste sein ...... Noch 50 Stunden....

Ich wurde gestern (vielleicht auch im Scherz) gefragt, ob ich nicht diesen Tag pausieren wolle. Ich könne den Tag ja hinten anhängen oder noch mal bei Null anfangen und dann 7 Tage durchziehen.
Aber das nicht der Sinn der Aktion.

Zum Einen kann man sich nicht aussuchen, dass man jetzt mal in der Not an ein geiles Buffet spaziert- Wie soll ich nachempfinden, wie es ist, wenn man nicht essen kann, was und wann man will, wenn ich mal eben einen Abend pausiere, weil es gutes Essen gibt?

Zum Anderen werde ich sicher nicht 4 Tage Reis für ein Hühnchenschenkel opfern und dann hinterher noch mal 7 Tage... NEIN!

Heute nachmittag habe ich mir meine heutige Tagesration Reis gekocht und nach dem kalten Reis war der frische, warme Reis ein richtiges kleines Fest. Ich hab gut gegessen! Mindestens 70 Gramm ;)

Ich merke aber schon, dass ich keine Lust mehr habe.
Ich bin froh, wenn die 7 Tage rum sind.
Noch 50 Stunden...

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